Samstag, 13. Juli: Um sieben Uhr geht’s von Roma Termini mit dem Hochgeschwindigkeitszug Frecciarossa (Roter Pfeil) in knapp drei Stunden quer durch’s Land nach Mailand. Dann mit dem EC 316 nach Bellinzona, wo mich meine Frau Nicole mit dem Auto abholt, um zu unserem Ferienhaus oberhalb von Airolo zu fahren. Die Potenz und Bequemlichkeit der Technik lässt unser Pilgerunterfangen schrumpfen zu einem Nichts. Wieso einundfünfzig Tage gehen, was man in einem fahren kann? Die Frage erübrigt sich. Dazwischen liegen Welten. Zufällig habe ich zuhause ein Zitat gelesen, das meine Stieftochter Yara sich notiert hatte: „Per aspera ad astra“ – „Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen“. Und da stehen halt die Frecciarossa, die gebratenen Tauben, die einem direkt ins Maul fliegen, oder lässig genippte Tequila Sunsrises, Mojitos und ähnliche Drinks im all inclusive Hotel in Kreta eindeutig im Weg. Nicht dass ich noch nie in einem all inclusive in Kreta gewesen wäre und mit Genuss ein smart zusammengemixtes Gesöff mit Eiswürfeln geschlurft hätte, während ich eine kubanische Zigarre paffe – genau das berechtigt mich zum Vergleich.
Und jetzt ist der Kreis geschlossen. Der Alltag versucht, mich mit zarten Fäden wieder einzufangen und einzulullen, in sein abgedichtetes Kokon in der relativen Wirklichkeit eines glücklichen Landes einzuschliessen. Die Via Francigena ist Erinnerung, der Schweiss, die Schmerzen, die Freuden, die Freundschaften. Oder vielleicht doch nicht nur? Die Freundschaften bleiben. Wir werden und wiedersehen. Und die Veränderung ganz tief drinnen ist mittlerweile auch für mich spürbar. Man ist ja bekanntlich immer der letzte, der merkt, was in einem vorgeht. Die fünfzig Tage hatten ihre Wirkung. Mein Interesse an den News, an der Wirtschaft, an den Ereignissen in einer überdrehten Welt ist völlig erkaltet. Ich werde den Informationskonsum berufsbedingt wieder aufnehmen müssen, aber der Spass ist passé. Die Unterhaltungsindustrie in jeglicher Form ist mir fremd geworden.
Und wenn ich auf meine Agenda schaue, in der ich alle Themen notiert hatte, über die ich gern geschrieben hätte – die Intelligenz der Erde und der Natur, die Integrität im Job und im Leben, Glück und Stress, und warum essen die lange Weile des Alltags und den Frust im Job bewältigen hilft, Angst als schlechter Berater- und Begleiterin, oder die Verlautbarungspolitik als soziales Spiel in den Medien – das alles ist schrittweise in den Hintergrund getreten. Und wenn der amerikanische Hornochs wieder mal twittert „Make America Great again“ und das ein Thema in den Twitternachrichten wird, dann werde ich nicht mehr sauer, sondern betrachte die ganze Chose cool als reinen Müll.
Das ist jedoch nur die oberste Schicht. Es gibt mehr. Die Interaktion mit meinem Umfeld hat sich verändert. Ich spüre mich anders. Die Wurzeln stecken noch tiefer in der Erde, meine Freude am Leben, mein Tatendrang sind noch grösser. Die Richtung führt anderswohin.
Ich hoffe, dass dieser Blog, den ich in den knappen Zeitfenstern meiner Pilgerreise geschrieben habe, nicht genau diesen unendlichen Unterhaltungsmüllberg in den sozialen Medien vergrössert hat. Ich hoffe, er hat Impulse, Ideen vermittelt, vielleicht sogar den einen oder die andere zum Tun angeregt. Ich hoffe es von Herzen, denn die Gedanken und die Worte sind zwar geflossen wie ein junger Bach, schnell und mit Freude, aber die Arbeit dahinter, und das Tragen des Computers mit Kabeln, Dockstation und Adapter über 1300 Kilometer waren – eine klaglose Feststellung – nicht leicht. Danke! fürs Lesen und gedankliche Mitgehen.
Diese Arbeit habe ich sehr gern auf mich genommen, um das Leben von kambodschanischen Mädchen und Jungen zu erleichtern. Wir unterstützen rund 250 junge und sehr arme kambodschanische Kinder, für die der Blog geschrieben wurde: Wer den Blog gern gelesen hat, darf gern für diese Kinder spenden. Es wird alle freuen – die Kinder, unseren Gönnerverein, mich, und vor allem die gebende Person, also Dich. Alle Angaben sind auf der Startseite www.pilgernfürkinder.ch vorhanden. Und sonst auch auf www.kindern-helfen.ch. Danke! auch dafür. Im Oktober/November, das Datum ist noch festzulegen, soll eine kleine persönliche Vorstellung des ganzen Projektes „Via Francigena“ erfolgen. Ein kleiner Event mit Bild und Musik. So, zumindest, stelle ich es mir vor. Die Einladung folgt, sobald der Termin steht.
Mit dem Testimonium der Pilgerschaft nach Rom beende ich nun die Blogbeiträge. Es ist in Latein gefasst. Deswegen wähle ich auch die lateinische Grussformel
Cura ut valeas!
Rodolfo
Lieber Rodolfo
Vielen herzlichen Dank, dass Du uns alle mitgenommen hast auf Deine Reise! Und ich bin sehr gespannt wie Deine Reise weitergeht 🙂 Dein Blog stösst bei mir Gedanken und Ideen an. Und wie es der „Zu-fall“ 😉 es so will, treffen sich auch Gedankengänge. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns weiter über das Erlebte auszutauschen könnten.
Herzliche Grüsse
Cécile
Liebe Cécile
Gerne – whenever! Am 31.10. Wir werden übrigens im kath. Kirchgemeindehaus in Rothrist eine kurze Präsentation dazu machen, mit Musik und Bild. Eine gute Gelegenheit!
herzlich, Rodolfo